Seite 9 von 19

Methoden der Stadtforschung dekolonialisieren: Innovative Komparatistik, mobile Ethnografie, kritisches Kartieren

Seminar im Rahmen der Paul-Lazarsfeld-Gastprofessur, Universität Wien – 2020

Im Kontext einer globalisierten Welt sind gesellschaftliche Fragen zunehmend komplex. Die Stadtforschung mit ihrem Ziel Urbanisierung weltweit zu analysieren steht beispielhaft für die großen Herausforderungen, mit denen Sozialwissenschafter*innen heute konfrontiert sind. Denn, die Stadt des 21. Jahrhundert gibt es nicht. Urbane Phänomene aber bestimmen den Alltag der Menschen und die Umwelt weltweit. Weiter gilt es, globale Ungleichverhältnisse kritisch zu reflektieren. Obwohl jedoch die Erforschung von Megastädten im Globalen Süden fest zur empirischen Forschungspraxis gehört, sind die dort vorhandenen Wissensbestände und Erfahrungen bislang kaum für die Theorieproduktion der Stadtforschung berücksichtig worden. Genau hier setzt die post- und dekoloniale Kritik ein und zeigt, dass nicht nur neue Theorien für eine zeitgenössische Analyse gefragt sind, sondern gerade auch die Weiterentwicklung methodischer Ansätze entscheidend ist um Stadt im Globalen Süden wie auch im Globalen Norden besser zu verstehen.

Die Vielfalt der Methoden ist breit im interdisziplinären Feld der Stadtforschung und umfasst quantitative, qualitative sowie mixed-methods Zugänge. Wie können solche hergebrachten Methoden im Zuge der erwähnten dekolonialen Kritik weiterentwickelt werden? Diese übergeordnete Frage leitet die vorgeschlagene Lehrveranstaltung an. Die Studierenden lernen in diesem Methoden-Seminar zentrale fächerübergreifende Debatten der aktuellen sozialwissenschaftlichen Methodendiskussion am Beispiel der Stadtforschung kennen und einordnen. Besonderen Fokus legt das Seminar auf drei etablierte Zugänge der Stadtforschung, nämlich der Vergleich, die Ethnografie sowie das Kartieren, und liefert Beispiele aus konkreten Forschungsprojekten, wie diese Methoden an aktuelle Forschungsfragen angepasst werden können.

zum Vorlesungsverzeichnis

Stadtforschung dekolonialisieren: Theorie, Pädagogik und Praxis der Stadtforschung überdenken

Vortrag im Rahmen der Paul-Lazarsfeld-Gastprofessur, Universität Wien – 2020

Dekolonialisierung ist nicht als theoretisches Projekt, sondern als eine kritische Praxis zu verstehen. Mit dieser Forderung der bolivianischen Soziologin und Historikerin Silvia Rivera Cusicanqui als Ausgangspunkt befasse ich mich in diesem Vortrag mit dem transformativen Potenzial des dekolonialen Denkens und Handelns um herkömmliche Praktiken im Feld der Stadtforschung zu hinterfragen. Dazu gehören besonders etablierte Forschungsmethoden, aber auch die Art und Weise, wie wir schreiben, lehren, lernen und publizieren. Selbstverständlich gehört hierzu auch eine Reflexion darüber, wie unsere Praxis die Theorieproduktion beeinflusst.

Ein Fokus auf Machtverhältnisse, historische Unterschiede und ungleiche Wissensgeographien zum Thema Stadt stellt herkömmliche Erkenntnisweisen radikal in Frage und drängt auf experimentelle und kollektive Methoden um etablierte räumliche Vorstellungen nicht nur zu dezentrieren, sondern auch zu pluralisieren. Im Zentrum stehen die Fragen: Was sind die methodischen Konsequenzen für die Stadtforschung nach der post- und dekolonialen Kritik? Wie kann eine post- und dekoloniale Stadtforschung in die Praxis umgesetzt werden?

Ohne diese umfassenden Fragen vollständig zu beantworten, möchte ich einen experimentellen, kritischen und selbstreflexiven Einsatz von Methoden diskutieren. Anhand von konkreten Beispielen aus aktuellen Forschungsprojekten werde ich einige experimentelle Methoden der Stadtforschung vorstellen, die ich als besonders geeignet ansehe um kritische Perspektiven zu unterstützen.

Vortrag im im Rahmen der Paul-Lazarsfeld-Gastprofessur

Mittwoch, 22. Januar 2020, 16.15–17.45
Seminarraum IE, Institut für Afrikawissenschaften Spitalgasse 2, Hof 5, 1090 Wien

Moderation: Alexandra Heis (Universität Wien, Institut für Internationale Entwicklung)

Wo beginnt und endet Mexiko-Stadt? Stadtethnologie und metropolitane Urbanisierungsprozesse

SAGW Bulletin – 2019

Was ist Stadt? Was ist das Städtische? Grundlegende Fragen der Stadtforschung sind nach wie vor vielstimmig und werden kontrovers diskutiert. Mit einem Blick auf Urbanisierungsprozesse können sozialräumliche Veränderungen beschrieben werden, die weit über administrative Stadtgrenzen hinausgehen. Aber wie können lokale städtische Alltagserfahrungen mit einer globalen Perspektive auf Verstädterung verbunden werden?

Artikel herunterladen

Streule, Monika (2019) Wo beginnt und endet Mexiko-Stadt? Stadtethnologie und metropolitane Urbanisierungsprozesse. Bulletin der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften 25, Dossier: Raum – Espace: Zugänge, Praktiken, Kulturen. Bern: SAGW, 36–38. DOI: 10.5281/zenodo.3538857

A transposition of territory: Decolonized perspectives in current urban research

IJURR – 2016

In this article, we discuss the concept of territory from a decolonized perspective. We engage with the ongoing debate on decentralizing urban studies to outline the potential drawbacks of essentializing, generalizing or objectifying the urban. Through the socio- territorial approach utilized here we seek to address these issues by shifting attention, first, to the social production of territory, and secondly, from an analysis of state strategies to the urban scale. We understand territory as being produced when subjects struggle over the practices, meanings and tenures of urban space.

An example from Mexico City is employed to illustrate how territory becomes both the site and stake of social struggle. By focusing on the subjects involved in the production of territory, and on the way different subjects produce and reproduce hegemonic spaces and counter-spaces, we emphasize three aspects in particular: first, a territory’s specific material conditions; secondly, the imaginarios (social imaginaries) various actors inscribe into it; and thirdly, the communal land use form of the ejido as a unique territorial regulation. Finally, we argue for the empirical groundedness of the concept of territory with the aim of further pluralizing the field of urban studies. The socio-territorial approach we propose explicitly focuses on power relations in the production of both urban space and knowledge.

Schwarz, Anke and Monika Streule (2016) A transposition of territory. Decolonized perspectives in current urban research. International Journal of Urban and Regional Research 40(5): 1000–1016. DOI 10.1111/1468-2427.12439

Artikel lesen